Die Therapie eines Herzinfarkts erfordert schnelles und präzises Handeln. Bei diesem lebensbedrohlichen Ereignis entscheiden oft Minuten über den Behandlungserfolg und die Prognose des Patienten. Als medizinische Fachkraft stehen Sie vor der Herausforderung, effektive Therapieentscheidungen in einem zeitkritischen Umfeld zu treffen.
Die therapeutischen Möglichkeiten haben sich in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt. Von der Akutversorgung bis zur langfristigen Nachbetreuung steht Ihnen ein breites Spektrum evidenzbasierter Behandlungsoptionen zur Verfügung. Diese reichen von interventionellen Maßnahmen über medikamentöse Therapien bis hin zu strukturierten Rehabilitationsprogrammen.
Diagnose als Therapiegrundlage
Eine präzise Diagnose bildet das Fundament für alle weiteren therapeutischen Entscheidungen beim akuten Herzinfarkt. Die initiale Bewertung basiert auf der Synthese klinischer, elektrokardiographischer und laborchemischer Befunde. Diese systematische Herangehensweise ermöglicht eine schnelle und zielgerichtete Therapieeinleitung.
Die diagnostische Kaskade beginnt mit der sorgfältigen Evaluation der Symptomatik und der Risikofaktoren. Besonders wichtig ist die Beurteilung des 12-Kanal-EKGs, das innerhalb der ersten 10 Minuten nach Erstkontakt durchgeführt werden sollte. Die charakteristischen EKG-Veränderungen liefern entscheidende Hinweise für die weitere Behandlungsstrategie.
Die Bestimmung kardialer Biomarker, insbesondere der Troponine, vervollständigt die diagnostische Trias. Mit hochsensitiven Assays können Sie bereits früh kleinste Myokardschäden nachweisen. Diese laborchemischen Parameter unterstützen nicht nur die Diagnosestellung, sondern dienen auch der Risikostratifizierung.
STEMI vs. NSTEMI Differenzierung
Die Unterscheidung zwischen STEMI und NSTEMI ist von grundlegender therapeutischer Bedeutung. Beim STEMI beobachten Sie eine ST-Streckenhebung in mindestens zwei zusammenhängenden Ableitungen als Ausdruck einer transmuralen Ischämie. Diese EKG-Veränderungen korrelieren mit einem kompletten Gefäßverschluss und erfordern eine unmittelbare Reperfusionstherapie.
Der NSTEMI hingegen präsentiert sich mit ST-Streckensenkungen, T-Negativierungen oder unspezifischen EKG-Veränderungen. Trotz fehlender ST-Hebungen liegt auch hier eine akute Myokardschädigung vor, die Sie anhand erhöhter Troponinwerte nachweisen können. Die therapeutische Strategie orientiert sich am individuellen Risikoprofil und der Hämodynamik des Patienten.
Prähospitale Erstversorgung
Die prähospitale Phase ist für das Behandlungsergebnis eines Herzinfarkts entscheidend. Als erstbehandelnde medizinische Fachkraft müssen Sie schnell und systematisch handeln, um die Überlebenschancen des Patienten zu maximieren und potenzielle Komplikationen zu minimieren.
Die Erstversorgung folgt einem strukturierten Protokoll, das auf die unmittelbare Stabilisierung des Patienten abzielt. Ihre Aufgabe ist es, lebensbedrohliche Rhythmusstörungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Die kontinuierliche EKG-Überwachung und das Monitoring der Vitalparameter bilden dabei die Basis der Versorgung. Bei Hypoxämie mit einer Sauerstoffsättigung unter 90% leiten Sie umgehend eine Sauerstofftherapie ein. Parallel dazu etablieren Sie einen sicheren venösen Zugang für die Medikamentenapplikation. Die Schmerztherapie erfolgt mit Morphin, das Sie sorgfältig mit 3-5 mg i.v. titrieren. Die antithrombotische Therapie beginnt mit der Gabe von ASS 250-500 mg, entweder intravenös oder oral. Bei Übelkeit führen Sie eine antiemetische Prophylaxe durch. Die optimale Lagerung mit erhöhtem Oberkörper unterstützt die Atmung bei vorhandener Dyspnoe.
Akute Interventionelle Therapie
Die primäre perkutane Koronarintervention (PCI) stellt den Goldstandard in der Behandlung des akuten Herzinfarkts dar. Bei dieser Prozedur führen Sie einen Katheter über die Arteria femoralis oder radialis ein, um die verschlossene Koronararterie zu rekanalisieren und mittels Stentimplantation offenzuhalten.
Der Zeitfaktor spielt bei der PCI eine entscheidende Rolle. Sie sollten die Door-to-Balloon-Zeit von maximal 90 Minuten einhalten, um das bestmögliche Behandlungsergebnis zu erzielen. Eine verzögerte Intervention führt zu einer Zunahme der Infarktgröße und verschlechtert die Prognose des Patienten.
Die technische Durchführung erfordert ein hohes Maß an Expertise und eine sorgfältige Vorbereitung. Entscheidend ist die Wahl des geeigneten Materials, insbesondere des Stentdesigns und der Stentgröße. Die Verwendung medikamentenbeschichteter Stents reduziert das Risiko einer Restenose und verbessert das Langzeitergebnis.
Medikamentöse Begleittherapie
Die medikamentöse Begleittherapie während der akuten Intervention ist ein essentieller Bestandteil der Behandlung. Sie dient der Prävention thrombotischer Komplikationen und unterstützt den Erfolg der mechanischen Revaskularisation. Die antithrombotische Therapie beginnt mit der Gabe von unfraktioniertem Heparin in einer Dosierung von 70-100 IE/kg als intravenöser Bolus.
Zur dualen Plättchenhemmung setzen Sie moderne P2Y12-Inhibitoren ein. Prasugrel wird mit einer Loading-Dose von 60 mg initiiert, gefolgt von einer täglichen Erhaltungsdosis von 10 mg. Alternativ können Sie Ticagrelor mit einer initialen Dosis von 180 mg und einer Erhaltungsdosis von zweimal 90 mg täglich verwenden. ASS geben Sie zunächst als 500 mg Bolus intravenös, gefolgt von 100 mg täglich. Bei hoher Thrombuslast erwägen Sie den Einsatz von GP-IIb/IIIa-Inhibitoren. Bivalirudin stellt eine Alternative zu Heparin dar, besonders bei Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko. Therapierefraktäre Schmerzen behandeln Sie durch die titrierte Gabe von Morphin 3-5 mg i.v., wobei Sie die Atmung sorgfältig überwachen.
Thrombolyse als Alternative
Die Fibrinolyse stellt eine wichtige Alternative zur primären PCI dar, wenn eine zeitnahe kathetergestützte Intervention nicht verfügbar ist. Diese medikamentöse Reperfusionstherapie ermöglicht Ihnen eine schnelle Wiedereröffnung des verschlossenen Koronargefäßes durch die enzymatische Auflösung des verschließenden Thrombus.
Die Indikation zur Thrombolyse besteht primär in Situationen, in denen Sie keine PCI innerhalb von 120 Minuten nach der Diagnosestellung durchführen können. Dies betrifft insbesondere Patienten in ländlichen Gebieten oder bei erschwertem Transport zum nächsten PCI-Zentrum. Entscheidend ist dabei der frühzeitige Therapiebeginn, idealerweise innerhalb der ersten drei Stunden nach Symptombeginn.
Bei der Entscheidung für eine Lysetherapie müssen Sie absolute und relative Kontraindikationen sorgfältig abwägen. Zu den wichtigsten Ausschlusskriterien zählen intrakranielle Blutungen in der Anamnese, ischämische Schlaganfälle in den letzten drei Monaten, aktive innere Blutungen sowie große Operationen oder Traumata in den vergangenen drei Wochen. Die Therapie sollte unter kontinuierlichem Monitoring erfolgen, um potenzielle Komplikationen frühzeitig zu erkennen.
Postinfarkt-Management
Nach erfolgreicher Akuttherapie beginnt die kritische Phase des Postinfarkt-Managements. In den ersten 48 Stunden konzentrieren Sie sich auf die hämodynamische Stabilisierung und die Prävention von Rhythmusstörungen. Eine engmaschige Überwachung der Vitalparameter und des EKGs ist in dieser Phase unerlässlich.
Die medikamentöse Therapie passen Sie entsprechend dem klinischen Verlauf an. Die duale Plättchenhemmung wird fortgeführt, ergänzt durch eine leitliniengerechte Therapie mit Betablockern, ACE-Hemmern und Statinen. Besonderes Augenmerk legen Sie auf die Entwicklung der Nierenfunktion und des Elektrolythaushalts, da Störungen in diesen Bereichen das Komplikationsrisiko erhöhen.
Die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Komplikationen steht im Zentrum Ihrer Aufmerksamkeit. Dazu gehören die regelmäßige Kontrolle der Herzfunktion mittels Echokardiographie, das Monitoring von Wundheilungsstörungen bei Katherinterventionen und die Überwachung psychischer Belastungsreaktionen. Eine strukturierte Dokumentation ermöglicht Ihnen die optimale Steuerung der Therapie.
Rehabilitation und Prävention
Die kardiale Rehabilitation bildet eine entscheidende Brücke zwischen der Akutversorgung und der langfristigen Sekundärprävention. Ziel ist es, die körperliche Leistungsfähigkeit Ihrer Patienten wiederherzustellen und das Risiko für weitere kardiovaskuläre Ereignisse zu minimieren.
Die Rehabilitation erfolgt stufenweise und wird individuell an die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Patienten angepasst. Sie beginnen mit der Frühmobilisation bereits während des Krankenhausaufenthalts und leiten dann die weiterführenden Maßnahmen ein.
Kernelemente des Rehabilitationsprogramms:
- Strukturiertes körperliches Training unter kardiologischer Überwachung
- Optimierung der medikamentösen Therapie
- Intensive Schulung zu Risikofaktoren und Lebensstiländerungen
- Ernährungsberatung mit praktischen Empfehlungen
- Psychologische Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung
- Berufliches Wiedereingliederungsmanagement
- Aufbau eines langfristigen Bewegungsprogramms
- Raucherentwöhnung bei Bedarf
- Stressmanagement und Entspannungstechniken
- Regelmäßige Verlaufskontrollen der Risikofaktoren
Therapieoptimierung und Prognose
Die langfristige Prognose nach einem Herzinfarkt hängt von verschiedenen Faktoren ab, die Sie systematisch evaluieren und beeinflussen können. Entscheidend sind dabei das Ausmaß der initialen Myokardschädigung, die Zeit bis zur Reperfusion und die konsequente Umsetzung der leitliniengerechten Therapie. Ihre regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Behandlungsstrategie trägt maßgeblich zum Therapieerfolg bei.
Die Risikostratifizierung erfolgt anhand etablierter Parameter wie der linksventrikulären Ejektionsfraktion, der Infarktgröße und dem Vorhandensein von Begleiterkrankungen. Besonders wichtig ist die Beurteilung der Nierenfunktion und des Diabetes-Status, da diese Faktoren einen signifikanten Einfluss auf die Langzeitprognose haben. Sie nutzen diese Informationen, um die Nachsorgeintervalle und die Intensität der Überwachung individuell anzupassen.
Der Langzeitverlauf wird maßgeblich durch die konsequente Therapieadhärenz beeinflusst. Ihre Aufgabe ist es, durch regelmäßige Verlaufskontrollen die Medikamentenwirksamkeit zu überprüfen und unerwünschte Arzneimittelwirkungen frühzeitig zu erkennen. Die Integration moderner Telemonitoring-Verfahren ermöglicht Ihnen eine engmaschigere Überwachung und schnellere Intervention bei Verschlechterung der kardialen Funktion.